Schon vor mehr als 300 Jahren war die englische Kolonie Virginia in Amerika Ziel zahlreicher Auswanderer aus Europa. Auch Bürger des damaligen Fürstentums Nassau-Siegen wagten die Auswanderung nach Erhalt der Erlaubnis durch den Landesherrn. Bergbau- und Hüttenexperten hatten mit ihrem Wissen in Virginia für sich und ihre Familien Perspektiven für eine bessere Zukunft.
Sechzehn Nachfahren der Siegerländer Auswanderer, seit 1956 in der Memorial Foundation of Germanna Colonies organisiert, besuchten jetzt zum 18. Mal für knapp eine Woche Dörfer ihrer Vorfahren. Zunächst begrüßte die Freudenberger Bürgermeisterin Nicole Reschke die Gäste im alten Rathaus. Das einmalige Fachwerkensemble des Alten Fleckens gehörte natürlich zum Besichtigungsprogramm.
Am nächsten Tag bekamen die Gäste Einblicke in alte Kirchenbücher und staunten über Eintragungen bezüglich Taufen, Trauungen und Beerdigungen ihrer Vorfahren. Besondere Beachtung erfuhr Johann Henrich Häger. Nach 14-jähriger Tätigkeit an der Siegener Lateinschule im Obergeschoss der Nikolaikirche wurde er 1703 Pfarrer in Niederfischbach und führte als Organisator 1713 die Immigranten mit Zwischenstopp in London in die Neue Welt. Nach eigenem Bekunden war er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, als Pfarrer zu arbeiten, starb aber im biblischen Alter von 92 Jahren.
Der Siegener Bürgermeister Mues und Landrat Müller empfingen die Gäste im Kreishaus und betonten die Bedeutung des Besuches für Ausbau der transatlantischen Beziehungen . Auch der Konsul vom US-Generalkonsulat Düsseldorf war anwesend und sprach zu seinen Landsleuten.
Besichtigt wurde Trupbach. Von 42 Auswanderern kamen damals 21 aus dem heutigen Siegener Stadtteil, darunter darunter auch die Vorfahren des zweiten Mannes auf dem Mond, Edwin Buzz Aldrin sowie von Oscarpreisträger Brad Pitt. Der Trupbacher Heimatverein ermöglichte hier, dass sich die Gäste drei noch erhaltene Häuser ihrer Vorfahren und die Gedenkstätte für Buzz Aldrin ansehen konnten. Fremdenführer Lars Bohn führte durch das Dorf.
Auf dem Programm der von Barbara Price geführten Amerikaner mit Siegerländer Wurzeln, die nicht nur aus Virginia, sondern aus vielen US-Bundesstaaten von Alaska bis Florida kamen, standen ferner Oberschelden, Niederschelden (Grabungsstätte Gerhardseifen), Obersdorf-Rödgen (Simultankirche), Fellinghausen (Historischer Hauberg), Müsen (Bergbaumuseum und Stollen), Netphen und Friesenhagen (Kirche St. Sebastianus) auf dem Programm. Im Haus des Heimatvereins begrüßte O. Jagielskie die Besucher herzlich, Schnittchen und Getränke gab es wie in Trupbach reichlich, das Schwarzbrot: Eigenproduktion und sehr schmackhaft.
Weitere Ziele und unvergessliche Höhepunkte des dichtgefüllten und maßgeschneiderten Programms im Lauf der Woche:
Besuch der Simultankirche in Oberstdorf-Rödgen, Ausgrabungsstätte Gerhardsseifen in Niederschelden, der historische Hauberg Fellinghausen, Netphen mit Martinikirche, Friesenhagen mit Kirche St. Sebastianus sowie am letzten Besuchstag vor der Abreise das alte Bergmannsdorf Müsen mit Stollenbesichtigung, Bergbaumuseum und Kirche. Aus Müsen ausgewandert und dokumentiert sind die Personen bzw. Namen Merten, Brombach und Kemper.
Allerdings erfüllte sich seitens der englischen Krone und ihres Gouverneurs in der Neuen Welt, A. Spotswood, nicht die Hoffnung, mit Hilfe Siegerländer Know- hows größere Mengen Gold, Silber und Eisenerz zu finden. Sie legten aber die Grundlagen der Hüttentechnik und metallverarbeitenden Industrie in dem Land, welches später zu Amerika gehören sollte, und dies trotz ständiger Mühsal und Entbehrung in einer ihnen fremden Welt und Bedrohung durch Indianer.
Organisiert wurde der diesjährige Besuch von Mitgliedern der Deutsch-Amerikanischen Gesellschaft Siegen-Wittgenstein und weiteren ehrenamtlichen Helfern. Die Besuchergruppe stand unter Leitung von Barbara Price, welche die Gesamtverantwortung für die Reise übernommen hatte.
Ein Abschiedsabend mit Siegerländer Freunden in einem Freudenberger Hotel, der ständigen Unterkunft während des Aufenthaltes, rundete das Besuchsprogramm ab.
Ein Teil der Reisegruppe hatte Vorfahren im Kraichgau, im Nordwesten von Baden-Württemberg gelegen und der Schweiz. Nach einer erlebnisreichen Tour im Siegerland galt es erneut die Koffer zu packen für die einwöchige Reise in südliche Richtung.
Text : Helmut Otto / Eike Jungheim
Foto: Kreis Siegen-Wittgenstein