Dr. Benjamin Becker (Amerika Haus) Bild: DAG SiWi
Zu einem besonderen Abend mit gleich zwei miteinander verzahnten Vorträgen lud kürzlich die Deutsch-Amerikanische Gesellschaft Siegerland-Wittgenstein e. V. (DAGSiWi) in den Eintrachtsaal der Siegerlandhalle. Für den ersten Vortrag begrüßte der Vereinsvorsitzende Volker Schüttenhelm den Leiter des Vereins Amerika-Haus NRW, Dr. Benjamin Becker (Köln). Der junge Transatlantiker, der in Köln und Atlanta studiert hat und zuvor in Berlin bei mehreren deutsch-amerikanischen Institutionen arbeitete, informierte darüber, dass im Zuge der „Reeducation“ der Nachkriegszeit in der jungen Bundesrepublik (einschließlich West-Berlin) 56 Amerika-Häuser in Trägerschaft des US-Außenministeriums gegründet wurden.
Das Amerika-Haus in Köln gibt es seit 1955. Die grundlegene Änderung der politschen Landschaft nach 1989 hatte die Schließung der Amerika-Häuser in ihrer ursprünglichen Ausrichtung und Organisation zur Folge. Die noch verbliebenen Amerika-Häuser in Deutschland werden heute in Form von Public Private Partnerships betrieben. Die Trägerschaft liegt nicht mehr in der Hand der US-Regierung, sondern ist unabhängiger auf Grundlage des deutschen Vereinsrechts organisiert.
In einem Rückblick nannte Dr. Becker Beispiele für die breit aufgestellten Aktivitäten mit politschem, wirtschaftlichem und kulturellem US-Bezug: so wurde z.B. eine Lesung mit dem New Yorker Autor Colson Whitehead oder geführte Rundgänge auf der Art Cologne, auf der stets zahlreiche Galerien aus New York und Los Angeles zeitgenössische Kunst ausstellen, unlängst angeboten. Die Zusammenarbeit mit der DAG-SiWi soll, so waren sich alle Beteiligten einig, in den kommenden Monaten mit gemeinsamen Veranstaltungen noch intensiviert werden.
Der zweite Teil des Abends gehörte sodann dem Politikwissenschaftler und Bundestagsmitarbeiter Jakob Schrot (Berlin). Er untersuchte in seinem Vortrag den Wandel der US-Außenpolitik. Spätestens seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump seien Rückzugserscheinungen in den internationalen Beziehungen zu beobachten. Schrot wagte einen Blick zurück in die Historie, um aktuelle Tendenzen zum Isolationismus zu erklären. In der Zeit ihrer Gründung nämlich waren die einstigen Kolonien mit aller Konsequenz entschlossen, die Konflikte Europas und ihre kleinparzelligen Fürstentümer hinter sich zu lassen.
Jacob Schrot Bild: DAG SiWi
Die bildhaften Worte aus der Bergpredigt Jesu von der weithin sichtbaren Stadt auf dem Berge wurden immer wieder von amerikanischen Politikern – angefangen beim Gouverneur (1657) der damaligen Kolonie Connecticut, John Winthrop, bis zu dem im Mai 2017 nach nur 109 Amtstagen entlassenen FBI-Direktor James Comey – als Metapher herangezogen, um sowohl Isolationismus als auch eine neue Definition der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik zu legitimieren. Eingedenk dieses Selbstverständnisses der amerikanischen Nation sei eine Mitgliedschaft in einer Organisation wie der UNO, wenn es sie denn schon gegeben hätte, in den ersten 150 Jahren nach der Unabhängigkeitserklärung undenkbar gewesen. Dem 1919 auf Betreiben von US-Präsident Wilson gegründeten Völkerbund versagte übrigens der sich übergangen fühlende Senat in Washington die Mitgliedschaft.
Einen Wendepunkt bei der isolationistisch, stellenweise gar pazifistisch eingestellten amerikanischen Bevölkerung stellte 1941 der unvermittelte japanische Angriff auf die US- Pazifikflotte in Pearl Harbor (Hawaii) dar, der den Kriegseintritt der USA markierte. Nach 1945 konnte es sich die größte Volkswirtschaft der Welt dann nicht mehr leisten, den Eintritt in die internationale Politik rückgängig zu machen. Bei der Gründungskonferenz der Vereinten Nationen in San Francisco ratifizierten die USA demgemäß auch die UN-Charta als erster Mitgliedsstaat.
DAG-Vorstand Arriens, Menn, Jungheim, Jebramcik, Gastredner Schrot und Becker, DAG-Vorstand Schüttenhelm, Otto Bild: DAG SiWi
Nicht ganz unerwartet kam Schrot auch aufgrund einiger Beiträge seitens der Zuhörer auf Nordkorea, welches seit 15 Jahren nahezu vollständig mit Sanktionen belegt ist, zu sprechen. Dass Nordkorea mit China rund 90% seines Außenhandels abwickelt, ist wohl weniger überraschend als die Tatsache, dass in den EU-Staaten Polen und Rumänien regelmäßig nordkoreanische Gastarbeiter beschäftigt werden. Die brennendste Frage der Anwesenden war jedoch die nach der Wahrscheinlichkeit eines thermonuklearischen Krieges. Diese sei nicht nur rein theoretischer Natur, so Schrots Einschätzung, müsse aber vor dem Hintergrund, dass vermutlich rund 5,8 Millionen Nordkoreaner (aktive Soldaten und Reservisten) unter Waffen stünden und die Zweitschlagfähigkeit des Landes kaum verlässlich eingeschätzt werden könne, mit Fragezeichen versehen werden.
Kurios am Rande mute die Tatsache an, dass Trump militärische Optionen in geradezu zynischem Ausmaß deutlich mehr in Erwägung ziehe als sein militärischer Beraterstab. Diesem schenke er aber ungeachtet seiner kraftmeierischen Rhetorik mehr Gehör als gemeinhin angenommen. Auch habe er mit seinen wirtschaftspolitischen Beratern Gary Cohn, einem liberalen ehemaligen Investmentbanker, und Peter Navarro, einem Wirtschaftswissenschaftler, der dazu neigt, in schrillen Tönen protektionistische Maßnahmen zu fordern, zwei Gegenpole in seinem Team, die ihm Kompromissfähigkeit abverlangen dürften.
In Bezug auf Nordkorea komme die Angst der Vetomächte (im Weltsicherheitsrat) Russland und China vor einer Destabilisierung Nordkoreas, die ungeahnte Flüchtlingsströme in diese beiden Länder zur Folge haben könnte, hinzu. Letzten Endes steht gegen die „Power of the sword“ (Macht des Schwertes), über die der Präsident kraft der ihm von der Verfassung gegebenen Befehlsgewalt verfügt, die nicht unerhebliche „Power of the purse“ (Kraft des Portemonnaies) des US-Kongresses, der in Budgetfragen letztlich das entscheidende Machtwort zu sprechen hat. Die Debatte des kommenden Jahrzehnts sieht Schrot aber in Blick auf Russland und der Gefahr einer eskalierenden Aufrüstungsspirale. Er versprach, wiederzukommen – Diskussionsbedarf bestünde noch reichlich.